Cannabis: Was ist eine „geringe Menge“? (Rechtsstand: März 2019)
Weittragende Folgen hatte ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts dennoch, denn es hat darauf hingewiesen, es sei verfassungsrechtlich bedenklich, Drogentäter im Probierstadium zu kriminalisieren. Bei geringer Schuld und Fehlen eines öffentlichen Interesses an Strafverfolgung seien die Staatsanwaltschaften bzw. die Gerichte gehalten, die Verfahren einzustellen. Das Bundesverfassungsgericht überließ es dem Gesetzgeber, genaue Maßstäbe aufzustellen, wann ein Strafverfahren einzustellen sei oder nicht. Es nahm den Gesetzgeber – hier die Länder – in die Pflicht, eine Angleichung der Strafverfolgung durchzuführen.
Ein Absehen von Verfolgung ist möglich, wenn u.a.:
- die Schuld des Täters als gering anzusehen ist,
- die geringe Menge zum Eigenverbrauch bestimmt ist,
- kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht,
- die Menge gering ist (abhängig vom Bundesland z.B. in Süddeutschland bis zu 6g brutto oder 0,045g THC.
Dies soll allerdings nicht zum Genuss von Cannabis ermuntern und ist mit größter Vorsicht zu genießen: Sie bezieht sich zunächst einmal auf den Besitz von Cannabis. Wer als Person über 21 Jahren an eine Person unter 18 Jahren abgibt (beispielsweise diese Person an einem Joint ziehen lässt), hat mit der vollen Härte des Gesetzes zu rechnen. Die Mindeststrafe des einschlägigen § 29 a BtMG liegt nicht unter einem Jahr!
„Unter einer Konsumeinheit ist eine BtM-Ration zu verstehen, die für die Erzielung eines Rauschzustandes ausreicht. Der BGH entschied, dass die Erzielung eines Rauschzustandes durch Rauchen eine Cannabiszubereitung mit im Durchschnitt 15 mg THC notwendig ist. (..) Wurde der Wirkstoffgehalt einer Cannabismenge nicht ermittelt, so haben die meisten Oberlandesgerichte zu Gunsten der Angeklagten eine Gewichtsmenge von bis zu 6 Gramm Cannabisgemisch noch als geringe Menge anerkannt, da bei Zugrundelegung einer äußerst schlechten Qualität sich aus 6 Gramm Haschisch noch 3 Konsumrationen gewinnen lassen. Der BGH hat nach der Auswertung der auf den illegalen Cannabismarkt kursierenden Haschischqualitäten bei fehlender Wirkstoffbestimmung und Zugrundelegung einer schlechten Qualität zu Gunsten des Konsumenten eine Bruttogewichtsmenge bis zu 10 Gramm als geringe Menge anerkannt. (BGH NJW 1996, 794)“. Quelle: Körner Betäubungsmittelgesetz, Randziffern 29 ff. zu § 31 a BtMG.
Die Einstellungspraxis schützt aber grundsätzlich nur den erstmals Aufgefallenen. Im Wiederholungsfall wird sich dem Strafrichter der Verdacht aufdrängen, hier könne nicht mehr von einem Probierverhalten gesprochen werden.
Problematisch ist die Einstellungsvorschrift des § 31 a BtMG deswegen, weil sie teilweise zu paradoxen Ergebnissen führt. Voraussetzung der Einstellung ist nämlich, dass der Betreffende das Cannabis in Besitz hatte, um es selbst zu konsumieren. Äußert er sich der Polizei gegenüber dahingehend, er habe es nicht selbst konsumieren wollen, sondern an einen Dritten abgeben, kommt eine Einstellung nicht in Betracht. Andererseits führt führerscheinrechtlich unter Umständen das Eingeständnis, man habe selbst konsumieren wollen, zu einem sofortigen Entzug der Fahrerlaubnis.
Um die Sache noch ein wenig weiter zu komplizieren: Der Hinweis, man habe nur eine geringe Menge besessen, ist kein Freibrief. Selbst wenn man, wie die Vorschrift des § 31a BtMG bzw. die analoge Vorschrift des § 29 Abs. 5 BtMG vorschreibt, Cannabis ausschließlich zum Eigenkonsum (und nicht etwa aus botanischen, erzieherischen oder religiösen Zwecken besessen hat), können bestimmte Berufsgruppen mit dem Gesetz in Konflikt kommen. Lehrer, Erzieher, Staatsanwälte Richter u.a. haben eine derartige Vorbildfunktion, dass hier angeblich das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung überwiegt.